Erdbeermond – Fotoidee spontan vermasselt

Tiefroter Erdbeermond steigt hinter dunklen Tannensilhouetten auf und färbt den klaren Nachthimmel dramatisch

Erdbeermond - Sony A1 + 400 mm f2.8 GM + 2x TC

Mitten ins Abenteuer: Ohne Plan, ohne Probe – dem Erdbeermond auf der Spur

11. Juni 2025, 21:29 Uhr.

Ich stehe auf einer Anhöhe – »Berg« wäre wohl übertrieben – rund 326 Höhenmeter, umgeben von Feldern. Damit befinde ich mich auf dem höchsten Punkt der Umgebung, eine halbe Stunde von der Großstadt entfernt. Mehr Vorbereitung steckt nicht hinter meinem fotografischen Vorhaben.

Die Gegend kenne ich kaum; in den letzten Jahren war ich dort vielleicht dreimal spazieren. Nur ein Locationscouting im Winter ist mir wirklich in Erinnerung, bei dem ich Distelfinken entdeckte, die sich an einem nicht abgeernteten Sonnenblumenfeld bedienten. Trotzdem war dies der einzige Ort, der mir spontan einfiel: weniger Lichtverschmutzung als am direkten Speckgürtel der Stadt und freie Sicht bis zum Horizont, der mit einer Baumgrenze abschloss.

Ein Testlauf oder gar ein Plan B? Fehlanzeige. Es gibt nur die spontane Idee, erst wenige Stunden alt: den Erdbeermond digital einzufangen, der gleich, während ich hier warte, am Horizont erscheinen wird.

Selten zu sehen – aber wann spricht man eigentlich vom Erdbeermond?

Der sogenannte Erdbeermond (engl. Strawberry Moon) ist der letzte Vollmond des Frühlings. Dabei steht er besonders niedrig am Himmel und ein seltener Höhepunkt, der nur alle 18,6 Jahre vorkommt. Die Ureinwohner Nordamerikas gaben ihm seinen Namen, weil zu dieser Zeit die wilden Erdbeeren reifen; in Europa spricht man auch vom Rosenmond, Honigmond oder Heumond.

Und am heutigen Tag soll er wieder in Erscheinung treten. Die Wetterbedingungen sind, was den klaren Himmel angeht, perfekt.

Große Brennweiten, große Herausforderung: Technik-Setup für den roten Junimond

Neben mir steht meine Frau, schon gespannt auf das Ereignis; vor mir zwei Stative, bestückt mit Kameras mit Brennweiten von 800 mm und 600 mm. Eine dritte Kamera liegt noch im Rucksack, ausgerüstet mit einem f/2.8 - 28–75-mm-Weitwinkelobjektiv.

Für die 800 mm entscheide ich mich erst in letzter Sekunde – wohl wissend, dass das vielleicht zu viel des Guten ist und das Hitzeflimmern durch die warme Luft noch mal auf den Fotos verstärkt. Der Winkel des aufgehenden Erdbeermondes ist so flach, dass er in der ersten Phase in sehr warmen Luftschichten erscheint; zudem war es heute ein warmer, sommerlicher Tag. Bei 800 mm kann man sich dann vorstellen, worin hier die Herausforderung besteht.

Ich nutze das Sony 400 mm f/2,8 mit einem 2×-Telekonverter an der Sony A1. Daneben wartet die Sony a6700 mit dem 200–600 mm; der APS-C Crop-Faktor von 1,5× liefert einen Bildausschnitt von bis zu 900 mm. Diese Kombination soll eine Timelapse des aufsteigenden »Erdbeermonds« erstellen.

Chaos vor dem Mondaufgang: Standortwechsel, Technikpannen und letzter Nervenkitzel

Erdbeermond leuchtet hellorange als fast voller Mond vor tiefschwarzem Nachthimmel, seine Krater klar sichtbar

Hochstehender Erdbeermond, weniger warme Luftschichten. Sony a6700 + Sony 200 - 600 mm G

Mit der App PhotoPills versuche ich, die Position des Mondaufgangs zu lokalisieren. Doch heute streikt die sonst zuverlässige Anwendung: Die GPS-Ortung funktioniert kaum, vermutlich wegen der schlechten Mobilfunkverbindung. Jedes Mal liefert sie mir andere Koordinaten, die kaum widersprüchlicher sein könnten. Selbst nach mehrfacher Kalibrierung bleibt die App unzuverlässig. Also plane ich das Timelapse lieber etwas weitwinklig, weil ich die exakte Position des Mondaufgangs nicht bestimmen kann. So gehe ich auf Nummer sicher und halte den Mond garantiert im Bild.

Die Stelle, an der wir jetzt stehen, ist bereits die dritte – und wohl letzte – Location des Abends. Hier stören keine Elemente die Sicht zum Horizont. An dem Platz, an dem wir zuvor standen, wären die Bedingungen sogar besser, doch das Windrad mit den rotierenden Flügeln über uns nahmen uns die nötige Ruhe. Also entschieden wir uns für diese Position, an der Einfahrt eines Feldwegs irgendwo im Nirgendwo, wo sich »Fuchs und Hase gute Nacht« sagen: Stille, weite Felder und am Horizont ein Wald. Perfekt – oder?

Wie aus dem Nichts kommt auf der angrenzenden Bundesstraße plötzlich ein Auto nach dem anderen vorbei. Keine Ahnung, warum – eben herrschte noch Ruhe, und genau jetzt, kurz bevor es losgehen soll, rollt der Verkehr durchs Niemandsland.

»Die Position ist Mist«, sage ich zu meiner Frau. Sie erwidert: »Dann lass uns den Standort noch einmal wechseln!« Das Scheinwerferlicht der fast schon entgegenkommenden Autos würde meine Timelapse zunichtemachen, denn die Straße verläuft nahezu parallel zur Ausrichtung der Kamera – Richtung Osten. Trotzdem zögere ich: alles abbauen, einpacken, zurück zum Windrad, wieder aufbauen – und das nur 15 Minuten vor dem Spektakel? Der Misserfolg scheint vorprogrammiert.

Doch dann denke ich: Fuck it – schraube die Kameras vom Stativ, lege sie lose in den Rucksack, verstaue die Stative im Kofferraum, und wir fahren zum Platz der Windkraftanlage zurück.

Zu spät, zu schnell, zu warm: Hektische Minuten beim Erdbeermond-Aufgang

Kaum angekommen, steige ich aus dem Auto, greife das erste Stativ aus dem Kofferraum – und sehe den roten Mond schon über den Baumwipfeln am Horizont aufblitzen. Der Klassiker – nicht bereit, wenn die Action passiert! Mir ist sofort klar: Jetzt wird es knapp, denn ab jetzt geht alles schnell. Noch ehe ich den Gedanken zu Ende denke, zeigt sich bereits ein gutes Stück des groß und kräftig wirkenden roten Mondes.

Also setze ich die A1 mit 800 mm auf das erste Stativ, richte das zweite aus und montiere die a6700 – der Timelapse gebe ich Vorrang. Als alles aufgebaut ist, ragt schon die halbe, rot leuchtende Mondscheibe über den Waldrand. Ich fokussiere den riesig wirkenden Erdbeermond manuell und starte die Timelapse. Dann wechsle ich zu den 800 mm: schnell Fotos machen, denke ich – manuell fokussieren, Feuer frei. Doch die Bilder wollen nicht richtig scharf werden; warme Luftschichten im flachen Aufstiegswinkel des Mondes und 800 mm Brennweite tun ihr Übriges.

Rund 15 Minuten später, als der Höhepunkt des Erdbeermond-Spektakels bereits vorüber ist, haben wir: eine Timelapse, die leider erst mittendrin einsetzt; ein Foto, auf dem leider nur einige Baumspitzen den unteren Rand des Mondes säumen; eine kurze Videosequenz des aufgehenden Mondes am freien Himmel – und eine Einzelaufnahme des schon höherstehenden Erdbeermonds im Kasten. Das ist enttäuschenderweise alles andere als das, was ich mir erhofft hatte.

Kein Hexenwerk – und dennoch kein Treffer nach meinen Vorstellungen

Welche Art von Aufnahmen hatte ich mir vorgestellt zu machen? Ein Foto mit dem aufgehenden, großen, rötlich leuchtenden Mond, bei dem eine Hälfte des Mondes von der Baumgrenze am Horizont verdeckt wird. Also der Schattenschnitt der Bäume über eine Hälfte des Erdbeermonds – und eine Timelapse, die den kompletten Mondaufgangszyklus im Kasten hat. Was aus rein technischer Sicht, kein Hexenwerk gewesen wäre!

Ganz zufrieden bin ich nicht. Ich mag solche Fotosituationen nicht, in denen plötzlich alles zack, zack gehen muss, nur weil man keine Vorlaufzeit hatte. Damit meine ich nicht, ad hoc seine Fähigkeiten abrufen zu müssen. Sondern bei einem so „statischen“ Objekt nicht die gewünschten Aufnahmen zu bekommen, weil man sich durch Gebietsunkenntnis in diese Lage gebracht hat.

Trotzdem: Solche Abende bringen Erfahrung. Und das Erlebnis draußen, unter dem klaren Himmel, bleibt.

Meine Lehre aus dem Abend: In der Hektik besser priorisieren – Foto oder Timelapse. Denn das Foto, wie ich es mir vorgestellt hatte, hätte ich bekommen können. Für die Timelapse in meiner Wunschvorstellung war es da längst zu spät.

Mit diesen Gedanken fahren meine Frau und ich nach Hause. Die Fotos schaue ich mir erst morgen an.

Jetzt geht’s erst mal ins Bett.


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Markus

🇩🇪 Wer schreibt hier:

Servus zusammen,

mein Name ist Markus und seit 2014 widme ich mich der Video- & Fotografie von Naturmotiven. Diese Leidenschaft begann während meiner zahlreichen Reisen durch Japan - von Hokkaido im Norden bis hinunter nach Okinawa im Süden. Diese Erfahrungen haben mich wieder stärker mit der Natur verbunden und auch die WildeNatur vor meiner eigenen Haustür entdecken lassen.

🇺🇸 Who is writing here:
Hello everyone,
My name is Markus, and I've been passionate about video and photography of nature scenes since 2014. This passion started during my many trips across Japan—from the northern reaches of Hokkaido all the way down to Okinawa in the south. These journeys have helped me reconnect with nature and also explore the wild beauty right outside my own front door.

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